Behinderten-Testament

Als Behindertentestament bezeichnet man das Testament von Eltern geistig oder körperlich behinderter Kinder. Es dient der Absicherung des Kindes mit Behinderung, des längerlebenden Ehegatten und der weiteren Kinder.


Ein Behindertentestament ist ein Testament, das speziell auf die Bedürfnisse und den Schutz von behinderten Erben zugeschnitten ist. Es dient dazu, das Vermögen so zu regeln, dass eine bestmögliche Versorgung und finanzielle Sicherheit für den Erben mit Behinderung gewährleistet wird. Ein Behindertentestament wird in der Regel von Eltern oder nahen Verwandten eines behinderten Menschen errichtet, um sicherzustellen, dass dieser auch nach dem Tod des Erblassers angemessen versorgt ist. Es zielt darauf ab, die finanzielle Unterstützung des behinderten Erben zu gewährleisten, ohne dass dies Auswirkungen auf seine Ansprüche auf staatliche Leistungen oder Sozialhilfe hat.

In einem Behindertentestament werden häufig bestimmte Regelungen und Maßnahmen festgelegt, wie zum Beispiel:

  • Ein Testamentsvollstrecker wird bestellt, um das Vermögen im Sinne des Kindes mit Behinderung zu verwalten und zu schützen.
  • Ein spezieller Fonds oder eine Stiftung kann eingerichtet werden, um das geerbte Vermögen des Erben mit Behinderung zu verwalten und für dessen Unterstützung zu sorgen.
  • Durch eine Pflichtteilsstrafklausel kann sichergestellt werden, dass der Erbe mit Behinderung seinen Pflichtteil nicht geltend machen kann, um die Ansprüche auf staatliche Leistungen oder Sozialhilfe nicht zu gefährden.
  • Das Testament kann spezifische Anweisungen enthalten, wie das geerbte Vermögen für die medizinische Versorgung, Therapien, Wohnsituation oder andere spezifische Bedürfnisse des Erben mit Behinderung verwendet werden soll.


Ausgangssituation

Der Sozialhilfeträger gewährt dem Behinderten Eingliederungshilfe (§§ 53 ff. SGB XII), Hilfe zur Pflege (§§ 61 ff. SGB XII) sowie ergänzend Hilfe zum Lebensunterhalt (§§ 27 ff. SGB XII). Geleistet wird aber nur soweit und solange der Behinderte kein ausreichendes eigenes Einkommen oder Vermögen hat. Dies ist vorrangig einzusetzen. Würde das Kind mit Behinderung uneingeschränkt Vollerbe oder hätte es Anspruch auf den Pflichtteil – gibt es also kein Behindertentestament -, so müsste es zunächst das geerbte Vermögen bis auf das so genannte Schonvermögen (§ 90 SBG XII) zur Bestreitung seines Lebensunterhalts einsetzen.

Behindertentestamente haben zur Folge, daß der Sozialhilfeträger nach dem Tode der Eltern nicht auf den elterlichen Nachlaß zugreifen kann. Aus diesem Grunde wird immer wieder unterstellt, hierbei handle es sich um das einzige Motiv der Eltern. Es gehe ausschließliche darum, das Familienvermögen vor dem Zugriff des Staates zu retten.

Fragt man allerdings Eltern von Kindern mit Behinderung, welchen Zweck sie mit dem Behindertentestament verfolgen, wird deutlich, dass sie zu allererst die Versorgung des behinderten Kindes nach dem Tode der Eltern sichergestellt werden soll („Wer kümmert sich um unser Kind, wenn wir mal nicht mehr sind?“). Das behinderte Kind soll auch nach dem Ableben der Eltern optimal betreut und versorgt werden.

Diese Vorsorge- und Schutzfunktion kann ein Behindertentestament selbstverständlich nur entfalten, wenn der Fiskus auf das geerbte Vermögen keinen Zugriff hat, die Eingliederungshilfe des Landratsamts wegen des Erbes also nicht gekürzt oder ganz aufgehoben werden kann.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat schon im Jahre 1990 (bestätigt durch Urteil vom 19.01.2011), entschieden, daß ein Behindertentestament nicht sittenwidrig ist:

„…. hatte der Erblasser es nicht darauf abgesehen, die behinderte Tochter zu benachteiligen. Sein Testament ist vielmehr umgekehrt darauf angelegt, auch über die alsdann zu erwartenden Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz hinaus der Tochter nach Möglichkeit noch Weiteres zu Gute kommen zu lassen. Ein solches Streben ist nicht per se anstößig, sondern entspricht der sittlichen Verantwortung von Eltern für ihre Kinder.“

Ziele des Behindertentestaments

Die Lebenssituation des Behinderten soll verbessert werden durch die Zuwendung von Vermögenswerten, die sozialhilferechtlich nicht verwertbar sind.

Der Sozialhilfeträger soll die Leistungen für das behinderte Kind weiterhin erbringen müssen, und dabei nicht auf den (künftigen elterlichen) Nachlass zugreifen können.

Gestaltungsmöglichkeiten

Erreicht wird dieses Ziel durch eine Kombination von Vor- und Nacherbfolge mit Dauertestamentsvollstreckung: Das behinderte Kind wird (nur) zum Vorerben eingesetzt. Gleichzeitig wird hinsichtlich der Erbschaft bzw. des Erbteils des behinderten Kindes auf dessen Lebenszeit Testamentsvollstreckung angeordnet wird.

Alternative: die so genannte „Vermächtnislösung“ und die so genannte „umgekehrte Vermächtnislösung“. Hier wird der behinderte Mensch enterbt und ausschließlich mit einem Vermächtnis mindestens i. H. seines Pflichtteils bedacht und Dauertestamentsvollstreckung angeordnet. Als Nachvermächtnisnehmer können z. B. der längstlebende Elternteil, Geschwister des Behinderten oder eine gemeinnützige Einrichtung eingesetzt werden.

Ist das behinderte Kind geschäftsfähig, so kommt als dritte Alternative auch eine Enterbung in Verbindung mit einem vollständigen oder beschränkten Pflichtteilsverzicht in Betracht; auch dieser wird vom BGH nicht als sittenwidrig angesehen.


Wer eignet sich als Testamentsvollstrecker?

Beim ersten Erbfall - also beim Versterben von Vater oder Mutter des Kindes mit Behinderung - wird in aller Regel der längerlebende Elternteil zum Testamentsvollstrecker bestimmt.

Schwieriger wird es beim zweiten Erbfall, wenn also beide Elternteile verstorben sind.

Meistens wird gewünscht, dass ein Geschwisterkind des Kindes mit Behinderung das Amt des Testamentsvollstreckers übernehmen soll. Das hat natürlich Konfliktpotenzial. Denn der Testamentsvollstrecker hat die Aufgabe, die Erträge des Nachlasses für das Kind mit Behinderung zu verwenden. D.h. im Klartext: je weniger der Testamentsvollstrecker dem Kind mit Behinderung gibt, umso mehr erben die Nacherben später. Wenn die Geschwister also sowohl Testamentsvollstrecker als auch Nacherben sind, ist es in ihrem ureigensten Interesse, dass möglichst wenig vom Vermögen für das behinderte Geschwisterkind ausgegeben wird. Das nennt die Rechtsprechung wenig überraschend einen Interessenkonflikt.

Dabei darf nicht übersehen werden, dass Geschwister in den allermeisten Fällen ein gutes und enges Verhältnis zu ihrem Geschwisterkind mit Behinderung haben.

Trotzdem ist es oftmals sinnvoll, dass Eltern als Testamentsvollstrecker im Schlußerbfall für das Erbe ihres Kindes mit Behinderung eine „neutrale Person“ wählen. Das kann ein mit den Familienverhältnissen vertrauter Anwalt oder Steuerberater sein. Das können aber auch Verwandte oder Freunde sein. Das hat den Vorteil, dass man sich persönlich kennt und die Kosten des Testamentsvollstreckers geringer sind.

Übergabe von Vermögen „mit warmer Hand“

Eltern mit großem Vermögen sollten immer darüber nachdenken, ob sie schon zu Lebzeiten Vermögen „mit warmer Hand“ an ihre Kinder übergeben, um die Erbschaftssteuerfreibeträge aus zu nutzen. Denn alle zehn Jahre lässt sich an Kinder ein Vermögenswert in Höhe von 400.000 € (je Elternteil, je Kind) steuerfrei übertragen.

Gibt es in der Familie Kinder mit und ohne Behinderung, sollten die Eltern erst recht prüfen werden, ob die Kinder ohne Behinderung nicht schon zu Lebzeiten Immobilien (Elternhaus), den elterlichen Betrieb oder Anlagevermögen übernehmen sollen. Den nach Ablauf von zehn Jahren seit der Schenkung kann das Kind mit Behinderung (oder dessen Betreuer oder das Amt) keine Pflichtteilsergänzungsansprüche wegen des verschenken Vermögen mehr geltend machen.