Generation Pflege

Fälle wie die Nachfolgenden kennt jeder:

• eines der Kinder nimmt die pflegebedürftige Mutter zu sich und versorgt sie
• ein Ehegatte pflegt den anderen in den letzten Lebensjahren
• die Schwiegertochter kümmert sich um den pflegebedürftigen Schwiegervater
• die Lebensgefährtin versorgt ihren Partner aufopfernd bis zu dessen Tod

Man spricht von der „Generation Pflege“. Vor allem die Pflege der eigenen Eltern sei zu einem „erwartbaren Regelfall des Familienzyklus“ geworden, heißt es. Der Umgang mit Pflegebedürftigen werde die zentrale Zukunftsfrage sein.

Es wird fast jeden treffen.

Aber so erwartbar der Pflegefall geworden ist, so hart und überraschend trifft er auch die meisten Angehörigen. Bereits die Frage „Pflegen oder pflegen lassen?“ stürzt Millionen Angehörige in einen tiefen Konflikt. Denn die Familie trägt bei der Pflege die Hauptlast. Rund 70 Prozent der Pflegebedürftigen in privaten Haushalten werden von nahen Angehörigen versorgt. Professionelle Hilfe (Pflegedienst usw.) nimmt nur eine Minderheit in Anspruch. Dabei geht nicht nur um Generationensolidarität, es geht auch und immer häufiger um Geld.


Die häusliche Pflege der Eltern – was erwartet die „fürsorgenden“ Kinder?

Schätzungen zufolge pflegen Angehörige zu Hause mit einem Aufwand von durchschnittlich 30 Stunden pro Woche im niedrigsten Pflegegrad, im höchsten Pflegegrad sogar mit knapp 55 Stunden in der Woche. Daneben muss noch der eigene Haushalt versorgt und nicht selten auch noch die eigene Berufstätigkeit bewältigt werden.

Freizeit gibt es nicht. An Urlaub ist nicht zu denken. 80 % der Pflegenden müssen rund um die Uhr zur Verfügung stehen. Solche Zahlen liessen jeden Gewerkschafter blass werden.

Die Pflege von Eltern gilt landläufig als eine im Rahmen der Generationensolidarität geschuldete unentgeltliche Leistung. Dass Abkömmlinge dafür eine Gegenleistung verlangen könnten oder erhalten, ist ein Tabuthema.

Dabei hat der Gesetzgeber mit der Einführung des § 2057 a BGB bestimmt, dass der Abkömmling, der den Erblasser während längerer Zeit gepflegt hat, bei der Auseinandersetzung der Abkömmlinge über den Nachlass eine Ausgleichung zu verlangen. § 2057 a BGB begünstigt nur aber nur Abkömmlinge (nicht: Lebensgefährte, Ehegatte usw.), die als gesetzliche Erben zur Erbfolge gelangen oder durch eine letztwillige Verfügung (z. B. Testament) auf dasjenige eingesetzt wurden, was sie als gesetzliche Erben erhalten würden.

Ausgleichung können nur Abkömmlinge untereinander verlangen. Der Anspruch besteht beispielsweise nicht gegenüber dem längerlebenden Elternteil.

Leider gibt das BGB hinsichtlich der Höhe des Ausgleichungsbetrages auch keine verbindlichen Größen vor. Im Streitfall entscheidet der Richter.

Die Höhe des Ausgleichungsbetrags aus § 2057 a BGB orientiert sich zuvorderst am Nachlasswert. Ist kein Nachlass oder nur ein geringer Nachlass vorhanden, besteht kein oder nur ein geringer Anspruch.

Diese Vorschrift schützt die Pflegenden also kaum davor, im schlimmsten Falle jahrelang für Gottes Lohn gepflegt zu haben.

Über derartigen Problematiken zerstreiten sich nicht wenige Geschwister.

Auf das Gesetz sollte man nicht  vertrauen. Das Gesetz kennt keine Pflicht der Eltern zur Entlohnung ihrer pflegenden Kinder.

Die Verteilung des Nachlasses erfolgt normalerweise gemäß dem testamentarischen Willen des Verstorbenen oder den gesetzlichen Erbfolgeregeln. Um sicherzustellen, dass der Wunsch berücksichtigt wird, pflegende Kinder finanziell zu berücksichtigen, ist es ratsam, rechtzeitig eine klare und gültige Vorsorgevollmacht oder ein Testament zu erstellen.

Die Entscheidung, ob und wie viel ein pflegendes Kind erben soll, kann von moralischen Überlegungen geprägt sein. Einige Eltern möchten möglicherweise die harte Arbeit und Hingabe, die ein Kind in die Pflege investiert hat, finanziell anerkennen. Andere Eltern bevorzugen möglicherweise eine gleichmäßige Verteilung des Nachlasses unter allen Kindern, unabhängig von ihrer Pflegeverantwortung. 


In einigen Fällen können Eltern und Kinder eine formelle Pflegevereinbarung oder einen Pflegevertrag abschließen, in dem die finanziellen Vereinbarungen und Erwartungen festgehalten werden. Solche Vereinbarungen können helfen, Klarheit und Transparenz zu schaffen und späteren Unstimmigkeiten vorzubeugen.


Was kann man tun, um Streit zu vermeiden?

Pflegende sollten ausdrückliche Vereinbarungen - Pflegeverträge - mit ihren Angehörigen schließen, in denen Gegenleistungen – gleich welcher Art – geregelt werden. Solche Verträge helfen, lebzeitige und postmortale Konflikte unter den Kindern zu vermeiden.

Die Praxis lehrt, dass Angehörige leider in den seltensten Fällen ausdrückliche und klare Abreden über finanzielle Gegenleistungen für die Pflege treffen. Meist wird davon ausgegangen, dass der eigenen Einsatz schon irgendwann irgendwie belohnt wird.

Das ist leider ein Trugschluss. Stirbt der Pflegebedürftige, kommt die Ernüchterung. Zu Lebzeiten gab es schon nichts, von Todes wegen wird oftmals auch nichts Zusätzliches zugewendet.

Über den praxisrelevante Fall der Übergabe einer Immobilie mit Pflegeverpflichtung können Sie sich hier informieren.


Was ist steuerlich zu beachten?

Die Rechtsprechung der Sozial-, Arbeits- und Steuergerichte erkennt Pflegeverträge unter Angehörigen grundsätzlich an. Es existiert keine Regel, wonach bei Pflegeverhältnissen unter nahen Angehörigen eine Vermutung für ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis besteht.

Der Pflegevertrag unter Angehörigen wird anerkannt, wenn er so gestaltet wird, wie dies üblicherweise zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern geschieht. Nach der Rechtsprechung steht der Annahme eines entlohnenden Pflegevertrags nicht entgegen, dass die Vergütung statt in regelmäßigen (monatlichen) Zahlungen in einer einmaligen – möglicherweise letztwilligen – Zuwendung besteht.

An Stelle eines solchen Beschäftigungsverhältnisses kommt auch ein entgeltliches, aber nicht steuerpflichtiges Pflegeverhältnis in Betracht.

Hat eine Person einen pflegebedürftigen Angehörigen in ihren Haushalt aufgenommen, um den Angehörigen dort zu pflegen und zu versorgen, und werden dafür aus dem Vermögen des Pflegebedürftigen Geldbeträge, gezahlt, so vollziehen sich nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) Leistungen und empfangene Zahlungen im Regelfall im Rahmen der familiären Lebensgemeinschaft. Sie erfüllen grundsätzlich nicht die Voraussetzungen des Erzielens von Einkünften i. S. des § 2 EStG (BFH, NJW 2000, 1815). Der BFH hat in dieser Entscheidung allerdings die Frage offen gelassen, ob bei außergewöhnlich hohen Zahlungen die Grenze zur Einkünfteerzielung und damit zur Einkommensteuerpflicht überschritten sein kann.

Vereinbaren Sie einen Besprechungstermin mit uns. Wir beraten und unterstützen Sie bei der Errichtung eines Pflegevertrages.


Gibt es Möglichkeiten der nachträglichen Reparatur?

Wurden die Pflegeleistungen in der Vergangenheit kostenlos erbracht, kann zumindest noch für die Zukunft eine Regelung unter Angehörigen über eine Vergütung getroffen werden.

Für die Vergangenheit gilt:

Die Angehörigen müssen sich darüber einig sein, dass dem Pflegenden nicht nur ein Dank erwiesen werden, sondern die bisherigen Pflegeleistungen bezahlt werden sollen. Diese Einigung kann grundsätzlich auch nachgeholt werden. Die Beteiligten können die Vergütung nachträglich erhöhen oder eine unentgeltliche Zuwendung in eine entgeltliche umwidmen.

Hier drohen allerdings steuerrechtliche Forderungen. Denn nach der Rechtsprechung handelt es sich um eine Belohnung, die u. U. schenkungssteuerpflichtig ist, wenn eine frühere Leistung nachträglich ohne rechtliche Verpflichtung durch eine ausgleichende Zuwendung entlohnt wird.

Checkliste zum Pflegevertrag:

Bei der Errichtung eines Pflegevertrages sind möglichst folgenden Punkte zu regeln:

• Wer soll gepflegt werden?
• Wer soll pflegen?
• Wo soll gepflegt werden?
• Ab welchem Zeitpunkt soll gepflegt werden?
• In welchem Umfang soll gepflegt werden?
• Welche Gegenleistungen erhält der Pflegende?
• Was gilt, wenn die Pflege nicht mehr erbracht wird?


Was kann passieren ohne Pflegevertrag?

Die Frage, ob einem pflegenden Angehörigen eine Vergütung zusteht, taucht in unterschiedlichen Fallkonstellationen auf.

Zum offenen Streit über eine Pflegevergütung kommt es meistens nach dem Ableben des gepflegten Familienangehörigen, und zwar im Rahmen der erbrechtlichen Auseinandersetzung des Nachlasses:

• Dasjenige Kind, das den Erblasser gepflegt hat, verlangt von den Geschwistern zusätzlich zu seinen Erb- oder Pflichtteil einen weiteren Ausgleich für die erbrachten Pflegeleistungen (§§ 2057a, 2316 BGB).

• Der im Testament nicht bedachte Angehörige oder Lebensgefährte, der den Verstorbenen gepflegt hat und dem der Erblasser immer versprochen hatte, ihn zur Belohnung als Erben einzusetzen, macht in seiner Enttäuschung als Nachlassgläubiger Vergütungsansprüche gegenüber den Erben geltend.

• Die Erben streiten sich darüber, ob der Verstorbenen zu Lebzeiten eine Immobilie als Gegenleistung für erbrachte Pflegedienste oder zu erwartende Pflegeleistungen übertragen hat, somit darüber, ob eine Schenkung oder eine gemischte Schenkung oder gar eine Anstandsschenkung i. S. von § 2330 BGB vorliegt.

Vereinbaren Sie einen Termin mit uns.

Wir unterstützten Sie gerne bei der Errichtung von Pflegeverträgen.