Erbschein

Wer benötigt einen Erbschein?

Nicht jeder Erbe braucht einen Erbschein.

Erbe wird man ohne Erbschein - und zwar aufgrund gesetzlicher Erbfolge oder aufgrund eines Testament. Einen Erbschein benötigt man dann, wenn man sein Erbrecht gegenüber anderen beweisen muss. Der Erbschein stellt für den Erben ein Zeugnis über sein Erbrecht und die Größe seines Erbteils dar, § 2353 BGB, mithin einen Verfügungsausweis.

Gibt es Alternativen für den Erbschein?

Nicht nur mit dem Erbschein kann sich der Erbe im Rechtsleben legitimieren, um auf den Nachlass bezogene Rechtsgeschäfte vornehmen zu können.

Hierfür gibt es insgesamt vier Möglichkeiten:

1. Erbschein
2. Europäisches Nachlasszeugnis
3. Eigenhändiges Testament nebst Eröffnungsprotokoll des Nachlassgerichts
4. Notarielles Testament nebst Eröffnungsprotokoll des Nachlassgerichts

Die Erteilung von Erbschein und Europäischem Nachlasszeugnis setzen ein zeitaufwändiges und mitunter teures Verfahren voraus. Daher sollte immer geprüft werden, ob überhaupt ein Erbschein benötigt wird.

Der Erbe kann sein Erbrecht auch durch Vorlage eines vom Nachlassgericht eröffneten und notariell beurkundeten Testaments belegen kann, wenn dieses die Erbfolge ausreichend eindeutig nachweist, die Erben also mit Namen nennt und nicht nur mit einer allgemeinen Bezeichnung ("Erben sind meine Abkömmlinge").

Auch die Vorlage eines handschriftlichen Testaments mit dem Eröffnungsprotokoll genügt, um das Erbrecht nachzuweisen. Der BGH hat in seinem Urteil vom 5.4.2016, XI ZR 440/15, entschieden, dass der Erbe sein Erbrecht auch durch die Vorlage eines eröffneten eigenhändigen Testaments belegen kann:

Die Ehegatten setzten sich durch ein handschriftliches Testament gegenseitig zu Alleinerben und ihre ehegemeinschaftlichen Kinder zu Schlusserben nach dem Letztversterbenden ein. Nach dem Tod der Letztversterbenden wurde der kontoführenden Bank das Testament der Eltern nebst Eröffnungsprotokollen nach dem Tod des Vaters und nach dem Tod der Mutter vorgelegt. Die Bank wurde aufgefordert, die Konten freizugeben und auf die Kinder umzuschreiben. Die Bank lehnte dies ab und verlangte einen Erbschein. Nach Erteilung des Erbscheins nahmen die Kinder die kontoführende Bank auf Erstattung der Kosten für den Erbschein in Anspruch. Der BGH gab ihnne Recht. Die Bank mußte die Kosten für den unnötigen Erschein ersetzen.

Ein Erbschein wird also vor allem von gesetzlichen Erben benötigt, wenn kein Testament das Erbrecht beweist.


Antrag - Form und Frist

Der Erbschein wird nicht automatisch erteilt, sondern ergeht nur auf Antrag.

Der Antrag muss beim örtlich zuständigen Nachlassgericht gestellt werden. Das ist das Nachlassgericht, in dessen Bezirk der Erblasser seinen letzten Wohnsitz hatte.

Bei nicht eindeutiger Erbfolge und bei einem drohenden Streit ums Erbe sollte bereits beim Erbscheinsantrag die Beratung eines Rechtsanwalts in Anspruch genommen werden, damit die Weichen richtig gestellt werden. Anders als der zur Neutralität verpflichtete Notar ist der Rechtsanwalt nur den Interessen seines Mandanten verpflichtet.

Eine Frist für die Antragstellung gibt es nicht.

Antragsberechtigt sind natürlich jeder Erbe, auch jeder Miterbe, der gesetzliche Vertreter minderjähriger Erben, aber auch Gläubiger zum Zwecke der Zwangsvollstreckung.

Amtsermittlung im Erbscheinsverfahren

Im Erbscheinsverfahren vor dem Nachlassgericht gilt der Amtsermittlungsgrundsatz. Das bedeutet, dass der Sachverhalt und die Erben vom Nachlassgericht von Amts wegen zu erforschen sind. Dennoch können und sollten die Beteiligten selbst Tatsachen vortragen, Urkunden einreichen oder Bedenken äußern. So wird das Nachlassgericht regelmäßig nur dann der Frage der Testierfähigkeit des Erblassers nachgehen, wenn es diesbezüglich einen Hinweis erhält.

Nachweise, Urkunden, eidesstattliche Versicherung

Je nach Art des Antrags und Grundlage der Erbfolge muss der Antragsteller die Tatsachen, auf denen der Erbscheinsantrag beruht, durch öffentliche Urkunden (Sterbeurkunde, Personenstandsurkunden, Familienstammbuch etc.) und durch eidesstattliche Versicherung belegen.

Für Testamente besteht eine Ablieferungspflicht. Wer also ein Dokument in Besitz hat, das ein Testament sein könnte - was für den Laien nicht immer klar ist - , muss dieses beim Nachlassgericht abliefern, anderenfalls drohen strafrechtliche Konsequenzen.

Arten von Erbscheinen

Folgende Arten von Erbscheinen gibt es:

1. Alleinerbschein
2. Gemeinschaftlicher Erbschein für Miterben einer Erbengemeinschaft
3. Teilerbschein für einzelne Miterben
4. Erbschein für Vorerben mit Nacherbenvermerk
5. Erbschein für Nacherben
6. Erbschein mit Testamentsvollstreckervermerk
7. Gegenständlich beschränkter Erbschein
8. Eigenrechtserbschein (deutsches Erbrecht)
9. Fremdrechtserbschein (ausländisches Recht)

Was kostet ein Erbschein?

Die Kosten für den Erbschein bestimmen sich nach dem Gesetz über Kosten der freiwilligen Gerichtsbarkeit für Gerichte und Notare (GNotKG). In der Regel fallen zwei Gebühren an: Eine für die Beantragung des Erbscheins und eine für die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung.

Die Höhe der Gebühren ergibt sich aus dem Geschäftswert, also dem Wert des Nachlasses. Das sind bei einem Nachlasswert von rund 500.000 € zwei Gebühren von je 935 €, was mit Nebenkosten dann rund 2.000 € ausmacht. Je wertvoller der Nachlass ist, desto teurer ist also der Erbschein.

Kommt es wegen widerstreitender Angaben der Beteiligten im Erbscheinsverfahren zu einer Beweisaufnahme (z.B. Sachverständigengutachten über die Echtheit eines Testaments) fallen die hierdurch entstehenden Kosten wiederum grundsätzlich demjenigen zur Last, der den Antrag auf Erteilung des Erbscheins gestellt hat.

Rechtsmittel im Erbscheinsverfahren

Ist man mit der Entscheidung des Nachlassgerichts nicht einverstanden, kann man Beschwerde einlegen.

Das Nachlassgericht überprüft sodann seine Entscheidung nochmals. Bleibt es bei seiner Entscheidung, wird das Verfahren an das Oberlandesgericht abgegeben, das sodann über die Zulässigkeit und Begründetheit der Beschwerde entscheidet.

In diesem Beschwerdeverfahren vor der II. Instanz kann der Beschwerdeführer im Falle des Unterliegens verurteilt werden, die Kosten des Verfahrensgegners zu erstatten.

Nachdem das Nachlassgericht einen grob falschen Erbschein erlassen hatte, der wieder eingezogen wurde, sah sich das Oberlandesgericht Celle im Beschluss vom 19.6.2023 – 6 W 65/23 zu folgender Anmerkung veranlasst:

"Dem Senat drängt sich seit Jahren zunehmend der Eindruck auf, dass die vom Land Niedersachsen genutzte Möglichkeit der weitestmöglichen Übertragung von Nachlassangelegenheiten auf den Rechtspfleger (§§ 16, 19 RPflG) dazu geführt hat, dass insbesondere bei den kleineren Amtsgerichten nur noch wenige, dann aber häufig schwierige Nachlasssachen von Richtern zu bearbeiten sind, was zwischenzeitlich auch dazu geführt hat, dass in Abweichung von der früher verbreiteten Praxis immer seltener Amtsgerichtsdirektoren die Nachlasssachen bearbeiten, sondern, wie hier, aufeinander folgend Richter auf Probe, denen es jedenfalls im konkreten Fall an Grundkenntnissen des materiellen Erbrechts und des Verfahrensrechts  ebenso zu fehlen scheint wie an der Bereitschaft, sich diese Kenntnisse zu verschaffen, was zu Entscheidungen führt, die das Ansehen der Justiz in der Bevölkerung zu beschädigen geeignet sind (konkret: Erteilung – nicht beantragter – richterlicher Erbscheine, hier unter anderem mit dem Inhalt: Die Bet. zu 1 „hat den gesamten Nachlass des Erblassers beerbt, mit Ausnahme des Anteils des Erblassers des Grundbesitzes sowie der Guthabenbeträge auf der Bank“. Der Bet. zu 2 „beerbt den Erblasser bezüglich dessen Guthabenbeträge auf der Bank sowie seines Anteils an dem Grundbesitz“.)."